Kein Thema wird auf Deutschlands drittgrößter Insel, Fehmarn, derzeit so intensiv und kontrovers diskutiert, wie die geplante 19 Kilometer lange Brücke über den Fehmarnbelt, die in zehn Jahren Fehmarn mit Dänemark verbinden soll. Während die Befürworter und die verantwortlichen Politiker über einen „historischen Tag für Europa“ jubeln, sehen es die Gegner der Brücke (vor allem die Einwohner Fehmarns und verschiedene Naturschutzverbände) völlig anders und sprechen seit der Unterzeichnung des Staatsvertrags in der letzten Woche von einem „schwarzen Tag für Fehmarn“. Nun ist es klar, dass man große Projekte, vor allem im Baubereich, durchaus unterschiedlich beurteilen kann, aber welches sind die Hintergründe für die so unterschiedliche Einschätzung dieses Projekts?

Die Befürworter der gigantischen Brücke über den Fehmarnbelt sitzen vor allem auf der dänischen Seite und in den Sesseln der Parlamente. Die Dänen, deren Land zu großen Teilen aus Inseln besteht, haben schon in der Vergangenheit verschiedene große Brückenprojekte, wie zum Beispiel die Verbindungen über den großen Belt zwischen den Inseln Seeland und Fünen oder die Öresundbrücke, die Dänemark mit Schweden verbindet, gestemmt und damit überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Neben vielen Arbeitsplätzen sind vor allem die Verbindungen der jeweiligen Regionen wesentlich schneller geworden und haben die Menschen näher zusammengebracht. Mit einer Brückenanbindung an Fehmarn werden die östlichen dänischen Inseln (und die Hauptstadt Kopenhagen) wesentlich direkter an Mitteleuropa angebunden. Kein Wunder also, dass vor allem die dänischen Politiker das Brückenprojekt über den Fehmarnbelt massiv unterstützt haben und bereit sind, die geplanten Kosten, deren Höhe zum jetzigen Zeitpunkt auf knapp fünf Milliarden Euro kalkuliert sind, fast allein zu tragen. Damit haben sie auch den deutschen Politikern die Entscheidung leicht gemacht, dem Projekt zuzustimmen. So werden sowohl Bundesverkehrsminster Wolfgang Tiefensee als auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsdent Peter Harry Carstensen nicht müde, immer wieder die glänzenden Perspektiven dieser Brücke zu betonen, die die Fahrzeit zwischen Kopenhagen und Hamburg um eine Stunde von 4,5 auf 3,5 Stunden verkürzen soll.

Und was sagen die Gegner der Brücke? Zunächst einmal sollte man einmal den Blickwinkel auf die Bewohner Fehmarns werfen. Denn diese sind von dem Mammutprojekt, das auf Fehmarn für viele Jahre die größte Baustelle Europas entstehen läßt, ganz besonders betroffen. Wohl kaum ein Fehmarner Bürger hätte bei einer Abstimmung für die Brücke gestimmt, denn sie ist zunächst einmal eine große Gefahr für Arbeitsplätze und den Tourismus, von dem die Insulaner zu großen Teilen leben. Allein im Fährhafen Puttgarden finden über 700 Beschäftigte Arbeitsplätze, die zu großen Teilen wegfallen werden, wenn die Reederei Scandlines, die bisher die Verbindung zwischen Puttgarden und Dänemark unterhält, diese Linie wegen der Brückenkonkurrenz einstellen sollte. Allerdings ist hierzu wohl noch keine definitive Entscheidung seitens der Reederei gefallen.

Die zweite große Sorge der Fehmarner Bürger ist die Zukunft des Tourismus auf Fehmarn. Bisher kommen etwa 800.000 Urlauber jedes Jahr hierher und sind damit einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren überhaupt, sowohl für die Beherbergungsbetriebe, als auch für die mittelbar vom Fremdenverkehr profitierenden Betriebe aus Gastronomie und Freizeiteinrichtungen. Während der Bauphase der Brücke ist mit erheblichen Verkehrsbehinderungen, vor allem in der Ferienzeit zu rechnen und auch die Gewässer um Fehmarn herum könnten durch die Bauarbeiten leiden. Beides sicher keine Pluspunkte, um auch weiterhin in der Gunst der Urlauber zu bleiben. Nach Fertigstellung der Brücke besteht die Gefahr, dass Fehmarn zu einer reinen Transitverbindung „verkommt“, was dem Tourismus auf der Insel ebenfalls nicht dienlich wäre. Die großen Verlierer eines solch gigantischen Bauprojekts könnten also in der Tat die Bewohner Fehmarns sein, deren Meinungen bei den Entscheidungen der Politiker in diesem Fall aber offensichtlich überhaupt nichts zählen. Nicht auszuschließen wäre dann, dass von der Insel eine massive Abwanderungswelle der Bewohner einsetzen könnte, mit den gleichen Folgen, wie in manch ostdeutscher Region.

Der zweite große Verlierer des Brückenbauprojekts steht auch schon fest: Die Tierwelt auf der Insel und in den Gewässern um die Insel herum wird wichtige Lebensräume verlieren. Zugvögel, die bisher auf Fehmarn Rast gemacht haben, werden dieses in Zukunft nicht mehr tun und das sensible Ökosystem in der Ostsee ist ebenfalls stark gefährdet. Aus diesem Grund will auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) gegen das Brückenprojekt über den Fehmarnbelt klagen und alle juristischen Mittel ausschöpfen, um dessen Bau zu verhindern.

Fakt ist jedenfalls, dass der Staatsvertrag zu diesem Projekt zwischen Dänemark und Deutschland von den zuständigen Politikern mittlerweile unterschrieben ist. Baubeginn soll 2012 sein. Ob es sich bei dem Projekt auch um einen wirtschaftlichen Erfolg handeln wird, bleibt abzuwarten. Die veranschlagte Mautgebühr, die zur Refinanzierung beitragen soll, soll 60,- Euro betragen, was in etwa genauso teuer wäre, wie die derzeitige Fährpassage (allerdings mit dem schon erwähnten Zeitvorteil). Sollte die Scandlines allerdings doch in den Wettbewerb mit den Brückenbetreibern treten wollen, ginge das sicher nur über den Preis. Falls die Fährverbindung dann deutlich günstiger sein sollte, als die Brückenquerung, könnte das Zeitargument für viele Autofahrer unter Umständen hinfällig sein, zumal eine Fährpassage für nicht wenige Autoreisende auch eine willkommene Abwechslung zur langen Autofahrt darstellt. Dann allerdings ginge die ganze Kalkulation für die Brückenbetreiber nicht mehr auf.

Auch die veranschlagten Gesamtkosten für das Projket scheinen nach einem vom Nabu in Auftrag gegebenen Verkehrs-Gutachten deutlich zu niedrig angesetzt. Demnach soll der Bau bis zu neun Milliarden Euro (statt fünf) verschlingen und wäre damit auch ökonomisch kaum noch zu rechtfertigen.

Bereits vor einiger Zeit haben wir uns schon einmal Gedanken über die Notwendigkeit einer Brücke über den Fehmarnbelt, bei der man für 60 Minuten Zeitersparnis, mehrere Milliarden Euro investiert und vor allem gegen die Interessen der Menschen und Tierwelt handelt, gemacht. Auch nach Unterzeichnung des Staatsvertrags, bei der zumindest die deutschen Politiker kaum die Interessen der direkt betroffenen Bürger und Verbände berücksichtigt haben, stellt sich diese Frage für uns unverändert weiter.