Der schwerste Bahnstreik Deutschlands, der noch bis morgen früh um zwei Uhr anhalten soll, legt nahezu das gesamte Land lahm. Kilometerlange Staus durch erhöhtes Verkehrsaufkommen, ratlose und entnervte Pendler, Container, die den Hamburger Hafen blockieren und Einzelhändler, deren Umsätze zurückgehen… der Arbeitskampf der beteiligten Lokführer zerrt an der Substanz und den Nerven der Bevölkerung. Doch weiterhin beharren GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) und Bahn auf ihren Forderungen. Die Deutsche Bahn verklagte gestern sogar die GDL vor dem Frankfurter Arbeitsgericht auf fünf Millionen Euro Schadensersatz. Ein Ende der Streikwelle ist also nicht in Sicht.

Die 62 Stunden Streik im Personen- und Güterverkehr treffen Deutschland offenbar an seiner Achillesferse. Bereits kurze Zeit nach dem Streikbeginn, am Donnerstag, ging im Lande vielerorts gar nichts mehr. Um zu Arbeit oder Geschäftstermin zu gelangen, griffen zahlreiche Berufstätige zum Auto -der ADAC vermeldete gar ein um 30 Prozent gestiegenes Verkehrsaufkommen- und standen rund um die Großstädte in kilometerlangen Staus. In Hamburg, wo die S-Bahnen maximal alle zwanzig Minuten fuhren, sammelten sich ratlose Menschenmassen auf den Bahngleisen, derweil sich im Hafen die Container stapelten, die Aufgrund der Ausfälle nicht abtransportiert werden konnten. Am schlimmsten aber traf es mal wieder den Osten des Landes. Da es hier kaum verbeamtete Lokführer gibt, die von der Deutschen Bahn eingesetzt werden können, fuhren im Wesentlichen nur die Züge der Privatbahnen und ein paar ICEs.

Auch die Wirtschaft hat bereits spürbar an dem schwersten Bahnstreik der Geschichte, an dem sich mehr als 3000 Lokführer beteiligen, zu tragen. Neben den Problemen im Hamburger Hafen, kommt es auch bei mehreren Automobilherstellern zu Produktionsausfällen aufgrund blockierter Zu- und Ablieferung. Auch der Einzelhandel spürt die Auswirkungen. Zunächst trifft es vor allen Dingen die Geschäftsinhaber in Bahnhofsnähe, die weniger Kundschaft haben; kommt es jedoch zu keiner Einigung, sehen die Einzelhändler auch das Weihnachtsgeschäft bedroht. Aufgrund der immer zeitgenaueren Just-In-Time-Produktion, treffen die Lieferausfälle auch Läden und Geschäfte in den Innenstädten. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer warnt sogar, dass der Bahnstreik den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland generell gefährden könne.

So kriegt denn jeder die Auswirkungen des Arbeitskampfes zu spüren, nur an der Front der eigentlichen Streithähne tut sich nichts. Sowohl die GDL als auch die Bahn bleiben in ihren Positionen hart. Auf Verständnis in der Bevölkerung dürfen die beiden Parteien jedoch nicht länger hoffen. Selbst die GDL, die anfangs noch für ihre Forderungen auf Sympathie bei den Menschen stieß, steht bei den Betroffenen mittlerweile hart in der Kritik. Ein Ende des Hahnenkampfs ist derweil nicht abzusehen. Nach dem die Deutsche Bahn gestern die GDL auf fünf Millionen Euro Schadensersatz für Ausfälle während des Warnstreiks am 10. Juli verklagte, ist auf eine Entspannung der Situation wohl nicht so schnell zu hoffen.