Einmal im Jahr Ende Februar wird ein buddhistischer Tempel im japanischen Okayama zum Tollhaus: mehr als 9.000 nahezu hüllenlose Männer machen sich in wildem Getümmel auf die Jagd nach zwei kleinen Holzscheiten, die ein Priester um Mitternacht in die tobende Menge wirft. Nur ein Tuch – mehr Kleidung ist beim Eyo Hadaka-Fest nicht gestattet. Jedoch die nur wenigen Grade Außentemperatur sind schnell vergessen, sobald die Hatz eröffnet ist.

Knochenstauchungen, blutige Nasen und andere Blessuren werden billigend in Kauf genommen, um sich die anderen Glücksritter vom Leib zu halten und einen der beiden „Shingi“, der heiligen Stäbe, zu ergattern – schließlich winkt dem Sieger der Rangelei ein ganzes Jahr voller Glück. Und das hat er sich auch redlich verdient.

Was dünkt wie eine extravagante fernöstliche Karnevalsinszenierung, hat einen spirituellen Hintergrund: bereits seit 500 Jahren schleudert der Tempelherr Glücksbringer in die Masse, um zu zeigen, dass die asketischen Bräuche der Priester zum Jahreswechsel abgeschlossen sind. Vor der Jagd müssen sich die spärlich bekleideten Teilnehmer – z. B. Investment-Banker, Geschäftsmänner, Studenten –  in einem Ritual mit eiskaltem Wasser selbst reinigen.

Genau genommen müsste es gar kein Fest der nackten Männer sein – auch Frauen sind zu der wohl verrücktesten Feier des Landes zugelassen. Allerdings haben die offenbar wenig Lust auf ein Bad in der verschwitzten Menge, denn ein weiblicher Glücksjäger ist nie dabei.