Bald ist es wieder soweit: der beschauliche Ort Buñol bei Valencia, ansonsten eher ein verschlafenes Nest, verwandelt sich in einen Hexenkessel. Seit nunmehr 62 Jahren sieht man hier immer im August rot und das wortwörtlich, denn dann startet die größte Tomatenschlacht der Welt, die Tomatina. An dem matschigen Vergnügen scheiden sich die Gemüter: was den Einen als unnütze Verschwendung von Lebensmitteln gilt, ist für die Anderen der Partyspaß schlechthin.

Zur Tomatina herrscht ein regelrechter Schlachttourismus. Neben Spaniern sind es vor allem junge Reisende aus Großbritannien, Deutschland und Frankreich, der Pubertät meist knapp entronnen, die das Event bestimmen. Die Einheimischen hingegen halten sich zumeist vornehm zurück, beobachten das Treiben von sicheren Fenster- und Balkonplätzen aus und kippen höchstens den ein oder anderen Eimer Wasser über die Tomaten werfenden Teilnehmer.

Die „Spielregeln“ der Tomatina sind denkbar einfach: keine Flaschen oder scharfen Dinge dürfen mitgebracht, es darf nicht an Kleidungsstücken gerissen und die Tomaten müssen vor dem Wurf zerdrückt werden. Die Schlacht beginnt um elf Uhr mit einem kuriosen Vorspiel: diverse Teilnehmer versuchen auf der Plaza del Pueblo einen sieben Meter hohen Baumstamm zu erklimmen, der mit Seife präpariert wurde, um einen Schinken an seiner Spitze zu ergattern. Sobald der Schinken in den Händen des Siegers liegt, ist das eigentliche Gefecht eröffnet: riesige LKWs, voll beladen mit Tomaten, kippen ihre rote Ladung in die Straßen, die zumeist leicht bekleideten Fruchtjünger greifen zu den Geschossen und pfeffern diese ziellos in die Menge. Es wird gematscht, geworfen und gesuhlt. Sechzig Minuten später erklingt ein Böllerschuss, der nach einem „Ehrenkodex“ die Aktivitäten im Keim erstickt. Ab jetzt darf keine einzige Tomate mehr geworfen werden. Buñol ist zu diesem Zeitpunkt nur noch eins: rot. Knöcheltief stehen die Tomatina-Jünger in einer Pampe aus Tomatenmark, Wasser und Dingen, über die man nicht nachdenken möchte, und ziehen sich erschöpft die Taucherbrillen, die sie vor der aggressiven Fruchtsäure schützen sollen, vom Kopf. Die pragmatischen Einwohner von Buñol beginnen sofort mit der Reinigung ihres Ortes. Die Feuerwehr spritzt Straßen und Kämpfer mit ihren Wasserschläuchen ab. Nachdem die Ströme von Tomatensaft abgelaufen sind, verschwinden die Plastikverkleidungen von Läden und Häusern und schon in den Abendstunden ist Buñol das, was es immer war: ein verschlafener kleiner Ort in der Nähe von Valencia.