Im Jahr 2018 erinnern Tschechen und Slowaken nicht nur an die 100 Jahre zuvor erfolgte Gründung des ersten tschechoslowakischen Staates. Zugleich jährt sich der 50. Jahrestag der Niederschlagung des „Prager Frühlings“. Zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen erinnern im ganzen Land an das Schicksalsjahr und seine Folgen.

Einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ wollte Generalsekretär Alexander Dubček im Frühjahr 1968 für die Menschen in der Tschechoslowakei schaffen. Der Reformversuch wurde am 21. August mit dem Einmarsch bewaffneter Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten blutig niedergeschlagen. Dubček und weitere Politiker wurden inhaftiert, Hunderttausende Menschen verließen das Land und es begann eine Zeit der rigiden Restauration der Verhältnisse, die beschönigend „Normalizace“ (Normalisierung) genannt wurde.

Ein zentrales Mahnmal für die Opfer der damaligen Ereignisse und der kommunistischen Ära im Allgemeinen wurde 2002 am Fuße des Prager Petřín (Laurenzibergs) enthüllt. Das Werk von Olbram Zoubek zeigt sieben sich in Auflösung befindende Bronzefiguren auf einer Treppe. Ein Bronzestreifen im Boden führt die geschätzte Zahl der Opfer auf. Am Gebäude von Radio Tschechien in der Vinohradská-Straße erinnert eine Gedenktafel an die Mitarbeiter, die am 21. August 1968 bei den Kämpfen um den Sender ums Leben kamen. Auf dem Wenzelsplatz, wo die Menschen sich den sowjetischen Panzern entgegenstellten, erinnert ein in den Boden eingelassenes Mahnmal an die Studenten Jan Palach und Jan Zajíc, die sich 1969 kurz nacheinander als Zeichen des Protestes selbst verbrannten. Auch in vielen anderen kleineren und größeren Städten Tschechiens sind heute Gedenktafeln für die Opfer von 1968 zu finden.

Neben wissenschaftlichen Tagungen, die sich mit dem „Prager Frühling“ und seiner Niederschlagung befassen, sind auch zahlreiche Ausstellungen dem Thema gewidmet. So ist in den Palastgärten unter der Prager Burg bis 31. Oktober eine thematische Ausstellung zu sehen, die sich dem gesellschaftlichen Wandel nach 1968 während der Zeit der „Normalisierung“ widmet. Mit der Rolle des tschechoslowakischen Parlaments während der Ereignisse beschäftigt sich eine Ausstellung, die am 21. August im Senatsgebäude, dem Waldstein-Palais eröffnet, und bis zum 9. Oktober zu sehen sein wird. Bereits vom 19. April bis 9. September wird dort eine allgemeine Ausstellung zu 1968 zu sehen sein.

Auch abseits vom Hauptschauplatz Prag gedenkt man der Ereignisse des „Prager Frühlings“. So etwa im nordböhmischen Liberec (Reichenberg), wo während des Einmarsches der Warschauer Pakt-Truppen neun Menschen starben. Ihnen ist seit 1990 ein Mahnmal in der Wand des Rathauses am Altstadtmarkt gewidmet. Der heutige Beneš-Platz wird auch der Hauptschauplatz der offiziellen Feierlichkeiten anlässlich der Ereignisse von 1968 sein. Vom 21. bis 30. August dient er als Kulisse für verschiedene kulturelle Veranstaltungen und Vorträge. Ein großes Gedenkkonzert widmet sich den Protestliedern des 1994 in München verstorbenen Dichters Karel Kryl. Eine thematische Ausstellung zeigt großformatige Fotografien vom Einmarsch sowie einen echten Panzer.

In der westböhmischen Metropole Plzeň (Pilsen) steht der Einfluss der Ereignisse des „Prager Frühlings“ auf die Entwicklung der Kunst im Fokus. Die Ausstellung „Das Jahr 1968 und die Kunst in der Tschechoslowakei“ ist vom 20. Juni bis zum 16. September in der Galerie im ehemaligen Fleischmarkt zu sehen. Anhand des Schaffens von Künstlern wie Jiří Kolář, Věra Janoušková oder Stanislav Kolíbal illustriert die Schau, wie insbesondere die auf die Niederschlagung des Prager Frühlings folgenden Jahre der Repression bis 1973 die Emanzipation der Kunstschaffenden in der ČSSR beförderten.

Das Regionalmuseum von Litomyšl (Leitomischl) zeigt vom 2. Juni bis 30. Oktober eine Ausstellung zum Prager Frühling. Die Schau mit dem klingenden Titel „Hinter dem Fenster gefror die Augustsonne“ setzt den Schwerpunkt auf die Geschehnisse in der ostböhmischen Stadt und widmet sich in einem zweiten Teil dem Lebensstil der 1960er Jahre. Wer schon immer einmal sehen wollte, wie sich der Zeitgeist der kommunistischen Krisenjahre in der Mode, den Wohnwelten und der Musik der Tschechoslowakei niederschlug, wird dort fündig werden.