Chinesische Urlaubsprojekte der Superlative bedrohen Kultur und Natur Tibets

Über dem Dach der Welt existiert eine einmalige Natur und Kultur – jedoch nicht nur chinesische Sicherheitstruppen gefährden die historischen Reichtümer Tibets. Chinas Regierung treibt die touristische Erschließung des Gebietes mit verschiedenen Konzepten und Unternehmungen der Extraklasse an – besonders im Jahr der Olympischen Spiele staffiert man sich gerne mit Superlativen heraus.

Nachdem im Mai in Kanding der nach dem tibetischen Qamda-Flughafen zweithöchste Airport der Welt auf einer Höhe von 4.280 Metern eingeweiht wird, soll der „luxuriöseste Zug der Welt“ gut betuchte Reisende ab dem 1.9.2008 einmal wöchentlich von Peking über das tibetische Hochland in die Hauptstadt Lhasa bringen. Jedem Passagier steht ein zehn Quadratmeter großes Abteil zur Verfügung, welches mit einem Wohnzimmer, einem Badezimmer und einer Doppelbett-Suite ausgestattet ist.

Aber nicht erst seit den aktuell massiv bekämpften Aufständen in der Region finden die chinesischen Werbungen zahlreiche Widersacher: schon bei der Eröffnung der 1142 Kilometer langen Zugtrecke im Juli 2006 befürchteten internationale Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen eine Beeinträchtigung der tibetischen Religion und Kultur sowie eine Verstärkung ethnischer Spannungen.

Diese Mutmaßungen haben sich jetzt bestätigt, denn die umstrittene Tibetbahn wird als Instrument der chinesischen Regierung kritisiert, dem gewaltsam annektierten Verwaltungsgebiet unwiderruflich das politische Gefüge der Volksrepublik aufzubürden. Mehr als eine Million Menschen, darunter zahlreiche Urlauber, nutzen jährlich die Tibetbahn und fahren nach Lhasa – so konnten Tibetreisen mit einem Zuwachs von 60% im Jahr 2007 einen wahren Boom verzeichnen. Jedoch geht der Tourismus, der für China zur westlichen Entwicklungsstrategie beiträgt, zulasten der empfindlichen tibetischen Umwelt und des Lebensraumes der Einheimischen.

Der seit 57 Jahren andauernde chinesische Einfluss ist auch an zahlreichen weiteren Stellen in Tibet erkennbar: außer den chinesischen Betonsünden finden sich beispielsweise ausschließlich chinesische Reiseleiter, die westlichen Besuchern die tibetische Kultur zu erläutern versuchen. Einheimische Fremdenführer wurden ab 2003 durch Kollegen aus China ersetzt. Offizielle Begründung: die Chinesen besitzen bessere Sprachkenntnisse und werden sich nicht dazu hinreißen lassen, mit Aussagen und Handlungen zu erwirken, „das Mutterland zu spalten“.

Die von China geleitete und kontrollierte Tourismusindustrie bootet also die tibetische Bevölkerung aus und bevölkert die wenigen vorhandenen Sehenswürdigkeiten, wie etwa der Potala-Palast, das Saga-Dawa-Festival, den Jokhang-Tempel, den Mount Everest und das Kloster Kumbum, mit großen Besuchermassen.