60 Minuten Zeitersparnis für 4 Milliarden Euro

Nun haben sich die zuständigen Ministerien offensichtlich geeinigt – die gigantische Brücke, die die zweitrößte Insel Deutschlands, Fehmarn, mit Dänemark verbinden soll, soll nun ab dem Jahr 2011 gebaut werden. Entsprechende Absichtserklärungen sind von den Beteiligten abgegeben worden, die Finanzierung des bis zu 4 Milliarden Euro (4.000.000.000) teuren Projekts sei geklärt, die Förderanträge bei der EU können gestellt werden. So weit, so gut.

Aber brauchen Deutschland und Dänemark tatsächlich ein solches Projekt, um entscheidend näher zusammenrücken zu können? Ist der wirtschaftliche Nutzen in Form einer eher geringen Zeitersparnis beim Überqueren des Fehmarnbelts wirklich so groß, daß dafür 4 Milliarden Euro investiert werden müssen? Wer braucht eine solche Brücke wirklich? Diese Fragen stellen sich unweigerlich, wenn man auf die vielen mit dem Brückenbau verbundenen Nachteile schaut.

Wer derzeit aus Richtung Hamburg kommend nach Kopenhagen reisen möchte, wird in aller Regel den Weg über Fehmarn und den Fehmarnbelt nehmen. Von Puttgarden auf Fehmarn muß dann der Fehmarnbelt mit der Fähre der Linie Scandlines überwunden werden. Ein Blick auf den offiziellen Fahrplan der Fährline zeigt, daß die Fahrzeit zwischen Puttgarden und Rodby auf dänischer Seite 45 Minuten beträgt. Eine Nachfrage unsererseits bei der Reederei ergab, daß die Strecke das ganze Jahr über von 4 Fähren gleichzeitig bedient wird. Alle 30 Minuten gibt es eine Abfahrt. Mit Ausnahme der Hauptsaison in den Sommerferien, in der die Wartezeit aufgrund des Reiseverkehrs nach Dänemark schon einmal 1-2 Stunden dauern kann, gibt es aufgrund der regelmäßigen Abfahrten eigentlich keine größeren Verzögerungen bei der Überfahrt.

Je nachdem, wie man die Berechnung anstellt, ergibt sich bei der Überquerung des Fehmarnbelts über eine neue Brücke also in etwa eine Zeitersparnis von 30 bis maximal 60 Minuten, denn in den Hochsaisonzeiten werden sich Staus vor den dann aufgestellten Maut-Stationen kaum vermeiden lassen. Für 30-60 Minuten Zeitersparnis auf dem Weg nach Dänemark sollen also 4 Milliarden (Steuergelder) investiert werden.

Sicher, ein solch großes Projekt wird bestimmt in den Medien als großer Fortschritt und Prestigegewinn sowohl für Dänemark als auch für Deutschland gefeiert werden. Aber brauchen wir den in diesem Fall – und vor allem zu diesem Preis – wirklich? Gibt es nicht sinnvollere Investitionsmöglichkeiten von Steuergeldern? Seit fast 50 Jahren verbinden die Fähren der Scandlines Fehmarn und Rodby. Mit Ausnahme der Wartezeiten in den „heißen“ Sommerwochen gibt es eigentlich keine Probleme, die eine feste Fehmarnbelt-Querung erforderlich machen.

Nach Informationen der Scandlines Reederei wären bei einer wahrscheinlichen Schließung der Fährverbindung über 600 Mitarbeiter direkt betroffen. Wie viele Arbeitsplätze in Verbindung mit der Brücke dafür neu entstehen würden (Mautabwicklung, technische Betreuung, etc.), ist noch offen. Aber nicht nur die direkten Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die beliebte Ferieninsel Fehmarn bliebe über Jahre hinweg eine Großbaustelle. Die bisher sehr gute Wasserqualität könnte durch die erforderlichen Baumaßnahmen ganz erheblich leiden. Sicher keine guten Argumente für die Tourismus Experten auf der Insel, um Gäste hierhin zu locken. Für die zahlreichen Vermieter von Ferienwohnungen, die Hotellerie und alle weiteren Branchen, die bisher von den Urlaubsgästen profitieren, wären deutliche Einkommensrückgänge bis hin zur Aufgabe einzelner Geschäfte die Folge. Auch ökologisch hätten die Bauarbeiten zur Brücke und die Brücke selbst erhebliche Auswirkungen, allein schon wegen der Millionen Zugvögel, deren Route genau entlang der geplanten Trasse der Brücke verläuft.

Sind 30 bis 60 Minuten Zeitersparnis zu einem Preis von 4 Milliarden Euro diese Gefahren wirklich wert?